These 9: Bisherige Regulierungsmodelle werden obsolet

Veröffentlicht auf von Stephan Gemke

„Bisherige Regulierungsmodelle werden obsolet“

Ja? – Nein? – Inwiefern?

 

Wie oft schon wurde das Internet als sittenwidriges und freies Medium beschrieben, schließlich sind dort den Gedanken, der Meinung und der Selbstdarstellungen keine Grenzen gesetzt. Apropos Grenzen, wie will man ein grenzenloses Medium überhaupt kontrollieren? Lesen Sie selbst, These 9 zur Internet-Ökonomie.

 

These 9 lautet im Original so:

 

„Bisherige Regulierungsmodelle werden obsolet

 

Die zur Zeit in Europa vorherrschenden Regulierungsmodelle werden den laufenden Globalisierungs-, Konvergenz- und Vernetzungsprozessen immer weniger gerecht und sind von daher wirkungslos oder gar kontraproduktiv. Um den eher zunehmenden Anforderungen gerecht zu werden muß die Regulierung zugleich abstrakter, konkreter und experimenteller werden.

 

Die Entscheidungskompetenzen sind zu stark verteilt und zu wenig koordiniert. Umsetzungsverfahren sind zu kompliziert und dauern zu lange. Insbesondere in Deutschland sind, basierend auf der föderalen Struktur, die Zuständigkeiten stark aufgesplittert. Dies hat zur strategischen Fehlorientierung der Marktakteure und zur Behinderung der Marktentwicklung in der sich schnell ändernden digitalen Welt geführt. Vereinfachung, verbesserte Transparenz und Vernetzung der Zuständigkeiten aber auch eine Reduktion der Regulierungstiefe (Deregulierung) sowie das Setzen von Eingriffsschwellen, deren Überschreitung zu deutlichen Sanktionen führt, sind als Aufgaben künftiger Regulierung zu sehen. Eine solch „starke“ Regulierung ist für das europäische und nationale Wettbewerbs- und Urheberrecht sowie Jugend-, Daten- und Verbraucherschutz erforderlich.“

 

Das die bestehenden Regulierungsmodelle und Gesetze den Folgen der Digitalisierung nichts entgegenzusetzen haben und dem Internetgeschehen rat- und machtlos zuschauen müssen, halte ich für nicht ganz korrekt. Auch rechtlicher Seite wurden in letzter Zeit viele Gesetze angepasst und sind nun klärender und wirkungsvoller als zuvor. Jedoch liegt die große Schwäche heutiger Regulierungsmodelle darin, dass sie nicht allzu zukunftsträchtig erscheinen. Das Internet entwickelt sich mit rasender Geschwindigkeit - und mit einer permanenten Ungewissheit, welcher Bereich wie revolutioniert werden soll - weiter, als die Juristen mit ihren Modifikationen und Gesetzesänderungen nachkommen können, geschweige denn die zukünftige Entwicklungen vorweg nehmen können. Daher sind die Regulierungsmodelle immer reaktiver Natur. Erschwerend kommt die föderale Struktur hinzu, die die Anpassungsvorgänge der Justiz an die Digitalisierung verlangsamt.

Überhaupt bedarf es wegen dem globalen Charakter des Webs auch einer weltweiten Einstimmigkeit. Die Bits und Bytes kennen keine Grenzen. Auch ist das Internet völlig dezentral strukturiert, so dass im Grunde niemand für nichts verantwortlich gemacht werden kann.

 

Hinzu kommt, dass das Internet gleich mehrere Branchen in sich vereint und darstellen kann. Dadurch überschneiden sich Gesetze, Zuständigkeiten bleiben ungeklärt und die Justiz endet einzig und allein im Kompetenzgerangel und weiß nicht, Herr der Lage zu werden.

Dabei wäre es dringend erforderlich, um Mobbing, Verleumdung, Pädophilie, Terrorgefahren, Hackerangriffe, Phishingattacken und sonstige Ausformungen der Internetkriminalität zu bekämpfen, denn die hat sich in den letzten Jahren zu einem echten volkswirtschaftlichen Risiko entwickelt.

Neben der Bekämpfung der Internetkriminalität, muss auch die Stabilität der Internetsicherheit und der Privatsphäre gewahrt bleiben. Internetsicherheit umfasst nämlich drei Teilbereiche:

1.       Die Sicherheit der Infrastruktur, also der Schutz für Firmen und Computersysteme, die mit dem Internet verbunden sind.

2.       Der Erhalt der Internetsicherheit selbst.

3.       Die Abwehr gegen missbräuchliche Internetnutzung zum Zwecke der Staatssicherheit.

 

Leider wirken viele der beschlossenen Gesetzte nicht unbedingt schützend für die Userschaft und garantieren auch keine hinreichende Beteiligungsmöglichkeit für Unternehmen. Bundesinnenminister Schäuble preist seine „Spionage-Gesetze“ als Mittel gegen die Terrorismusbedrohung an, aber als Folge kristallisiert sich aber vielmehr eine Verringerung der Pressefreiheit, des Informantenschutzes und der Meinungsfreiheit heraus – wodurch die Arbeiten von Journalisten und Blogger massiv eingeschränkt werden. Ein weiteres Beispiel für die Kontraproduktivität von Staatseingriffen  ist meiner Meinung nach auch der neue Rundfunkänderungsstaatsvertrag, denn er hemmt die Teilnahme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an der Medienkonvergenz.

 

Der nun endlich öffentlich debattierte Datenmissbrauch macht nun auch dem letzten User klar, dass er sich immer mehr zum gläsernen Bürger entwickelt. Daher lautet die wohl dringendste Frage des digitalen Zeitalters: Wie soll der User denn ausreichend geschützt werden?

 

Selbstregulierung wäre naheliegend, aber auch staatliche Regulierung. Wichtig ist, dass der User zu entscheiden hat, wer welche persönliche Daten sammeln und weitergeben darf. Im Amerikanischen spricht man von der opt-on policy und entspricht dem jetzigen Ansatz der Bundesregierung, die Entscheidungsmacht mehr auf die Bürger zu übertragen. Das Recht der informellen Selbstbestimmung soll schließlich auch im WorldWideWeb gelten.

 

Eigeninitiative und Aufklärung sind weitere Stichpunkte. Softwarefirmen, wie Mozilla, Google, Microsoft oder Apple müssen weitreichende Sicherungsmaßnahmen für ihre Browser und die Privatsphäre ihrer User anbieten und die User müssen diese dann auch anwenden. Virenprogramme, Firewall, Passwörterkombinationen und die Sicherheitseinstellungen werden oftmals nicht richtig eingesetzt.

Des Weiteren ist die Transparenz von Internetfirmen sehr wichtig, insbesondere den Datenkraken, wie Google, würde eine erhöhte Transparenz gut zur Gesicht stehen. Anbieter von internetbasierten Diensten, wie z.B. Banken und ihr Online-Banking, müssen die Sicherheitsgefahren (Phishing!) viel stärker kommunizieren und Lösungsvorschläge anbieten. Verbraucherverbänden müssen sich dabei unterstützend mit einklinken.

 

Infrastrukturanbieter, Provider, Portalbetreiber und Online-Werbevermarkter müssen eigene Grundsätze aufstellen, Kontrollorgane einsetzen und den Austausch über Gefahren und Lösungen intensivieren, so dass sich die Internetindustrie immer mehr selbstreguliert.

Denn Selbstregulierung stellt für mich den wirksamsten Ansatz dar. Es zeugt vom eigenen Interesse, die Privatsphäre der User nicht auszuhöhlen und man kann spezifischer und angemessener auf die jeweiligen Marktbedingungen reagieren.

Staatliche Eingriffe können der Marktdynamik nicht gerecht werden und im schlimmsten Fall gewisse Entwicklungstendenzen und Situationen außer acht lassen, wodurch Internetunternehmen in ihrer Existenz gefährdet werden.

Selbstregulierung sollte demnach den Großteil des gesamten Regulierungspakets ausmachen, schließlich ist das Internet ein offenes und dezentralisiertes Netzwerk, dass keinem gehört, keiner kontrolliert und keiner managet.

 

 

 

Siehe auch:

 

Thesen-Überblick: „Die Zehn Thesen zur Internet-Ökonomie“

 

 

These 1: „Die Digitalisierung der Wertschöpfung erfaßt alle Bereiche der Wirtschaft“

These 2: „Kritische Masse wird zum Schlüsselfaktor der vernetzten Wirtschaft“

These 3: „Traditionelle Wertschöpfungsketten erodieren“

These 4: „Der Kampf um die Aufmerksamkeit wird zur entscheidenden Wettbewerbsarena

These 5: „Neue komplexe Wertschöpfungsnetze erfordern Wettbewerb und Kooperation“

These 6: „Massenmärkte lassen sich durch Gleichzeitigkeit von Kostensenkungs- und Differenzierungsstrategie individualisieren“

These 7: „Electronic-Commerce wird zum Normalfall“

These 8: “Digitalisierung erleichtert Produtk- und Preisdifferenzierung”

These 10: „Normalisierung bei der Börsenkapitalisierung führt zur Auslese bei den Internet-Firmen“

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